Die Nichtbewertung nicht bestandener Prüfungen in der Coronazeit gilt auch für den Bachelorstudiengang „gehobener Polizeivollzugsdienst“ an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin

VG Berlin (Urteil vom 16.08.2021, Az.: VG 3 K 554/20)

Die Nichtbewertung nicht bestandener Prüfungen in der Coronazeit gilt auch für den Bachelorstudiengang gehobener Polizeivollzugsdienst an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Aufgrund der Corona-Pandemie blieben die Universitäten und Hochschulen im Sommersemester 2020 weitestgehend geschlossen. Die Lehre fand kurzfristig nur online statt, auch Prüfungen wurden online abgenommen. Beides gelang aufgrund des großen Engagements des Hochschulpersonals weitestgehend. Trotzdem, und das müssten wir unseren Teilnehmerinnen und Teilnehmern eigentlich gar nicht mitteilen, funktionierte nicht immer alles einwandfrei. Zudem setzten die Pandemie und die Lockdowns den Studierenden psychisch zu. Der Berliner Senat reagierte darauf mit der vorübergehenden Einführung des § 126b in das Berliner Hochschulgesetz (BerlHG), wonach nicht bestandene Prüfungen im Sommersemester 2020 und im Wintersemester 2020/21 als nicht angetreten gewertet werden (sog. „Rettungsschirm“). Das BerlHG gilt grundsätzlich für alle staatlichen Berliner Hochschulen, so auch für die Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR).
Der Kläger studierte an der HWR im Bachelorstudiengang „Gehobener Polizeivollzugsdienst“ und bestand die Wiederholungsprüfung im Modul „Polizeirecht II“ im Sommersemester 2020 nicht, was das endgültige Nichtbestehen der Laufbahnprüfung bedeutete. Er vertrat u.a. die Auffassung, dass der „Rettungsschirm“ auch für ihn gelte. Die beklagte HWR hielt den § 126b BerlHG für nicht anwendbar, da er sich nach einer Weisung des Regierenden Bürgermeisters nicht auf Prüfungen in Laufbahnstudiengängen beziehen solle.
Neben nicht heilbaren formellen Mängeln stellte das Verwaltungsgericht Berlin in seinem Urteil insbesondere fest, dass der „Rettungsschirm“ sehr wohl auf Laufbahnstudiengänge wie jenen des Klägers anwendbar ist. Dem Wortlaut der Norm lässt sich eine Nichtanwendung auf Laufbahnstudiengänge nicht entnehmen. Außerdem spricht dafür die Systematik, denn § 126b BerlHG findet sich in dem Kapitel der Übergangs- und Schlussbestimmungen, die grundsätzlich auf das gesamte BerlHG anzuwenden sind. Schließlich lässt sich auch die Gesetzeshistorie für die Anwendbarkeit anführen – der Gesetzgeber schuf schließlich vor dem Eindruck der beispiellosen pandemischen Lage eine ebenso beispiellose Privilegierung, um die Folgen der Covid-19-Krise für alle Studierenden unbürokratisch zu mildern. Der Bescheid des Nichtbestehens war folglich aufzuheben, der Kläger kann erneut zur Prüfung antreten.
Das Urteil vermag inhaltlich zu überzeugen. Um zu seinem Ergebnis zu kommen, wendet das VG Berlin die auch Ihnen bekannte juristische Methodik lehrbuchhaft an. Es legt nämlich die streitgegenständliche Norm wortlautorientiert, systematisch und historisch-teleologisch aus. Die Anwendung des „Rettungsschirms“ auf Prüfungen im Bachelorstudiengang „Gehobener Polizeivollzugsdienst“ begrüßen wir vor dem Hintergrund, dass auch in unserer Repetitoriumspraxis die Auswirkungen der Online-Lehre stark zu spüren waren und bis heute zu spüren ist. Unter der Online-Lehre leidet schlichtweg der Austausch untereinander; die Konzentration ist geringer und die Ablenkungen größer. Ferner fehlt den Lehrenden die Rückmeldung, ob den Ausführungen denn noch gefolgt werden kann. Vor diesem Hintergrund sind wir, sobald es wieder möglich war, zu dem Präsenzunterricht zurückgekehrt. Die positiven Rückmeldungen unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben uns gezeigt, dass wir trotz des (durch Schutzmaßnahmen minimierten) Infektionsrisikos den richtigen Weg gewählt haben.


Damir Rodić — Akademische Leitung

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